Standardtarif und Basistarif in der PKV: Achtung Abzocke!

Markus Bauer • 14. Oktober 2024

Ist der Standardtarif eine günstige Option? Sehen Sie selbst:


Egal, ob Verbraucherzentrale, Stiftung Warentest, Finanztip, Focus Money oder Wirtschaftswoche über PKV-Beiträge schreiben: Der Hinweis, dass eine Beitragssenkung durch den Wechsel in einen der sogenannten Sozialtarife, also Standardtarif und Basistarif (Details siehe unten), möglich sei, fehlt nie.


Aber fast immer fehlt der Hinweis, dass Basistarif und Standardtarif NICHT die beste Lösung sind.

 

  • Verbraucherzentrale: Finanziell betrachtet ist für viele, insbesondere im Alter, der Standardtarif attraktiv.

 

  • Stiftung Warentest: Stan­dard­tarif: Oft eine gute Lösung für ältere Versicherte

 

  • Finanztip: Der Standardtarif ist ein Tarif mit abgespeckten Leistungen, den jede PKV anbieten muss. Er ist meist recht günstig und damit eine Option, falls Du Dir den normalen Tarif nicht mehr leisten kannst.

 

  • Focus: Versicherte können im Alter oder bei einer finanziellen Schieflage in den sogenannten Standardtarif der Rentner wechseln. Dieser Tarif beinhaltet zwar nur gesetzliche Leistungen, ist aber oft deutlich günstiger als die eigenen Tarife.

 

  • Wirtschaftswoche: Allerdings haben die Unisex-Tarife nicht nur Vorteile. „Einen wirklichen Nachteil sehen wir tatsächlich darin, dass für Versicherte der Unisex-Welt ein Wechsel in den Standardtarif als funktionierendem Sozialtarif mehr möglich ist“, sagt Jens Wegner vom Verband der Privaten Krankenversicherung.

 

Das ist alles nicht ganz falsch. Aber v. a. auch nicht ganz richtig. Wir als Praktiker kennen die Realität.


Schon die Namen Standardtarif und Basistarif sind eine Mogelpackung. Weil die Begriffe Standard und v. a. Basis nicht nur suggerieren, dass die Leistungen ganz unten sind, was stimmt, sondern auch, dass die Preise ganz unten sind, was ganz und gar NICHT stimmt.

 

Die Wahrheit ist: Es gibt vom Preis-Leistungsverhältnis bei vielen PKVs kaum schlechtere Tarife als den Basistarif und auch den Standardtarif. Und bei fast allen PKVs, insbesondere aber den größeren, die viele Tarife zur Auswahl haben, gibt es preisgünstigere und gleichzeitig leistungsmäßig bessere Tarife.


Damit ist auch das oft gegen einen Wechsel in Bisex-Tarife vorgebrachte Argument "Dann kommen Sie aber nicht mehr in den Standardtarif!" ad absurdum geführt. Weil der Standardtarif eben meist keine preiswerte und oft nicht einmal die preisgünstigste Lösung ist.


Aufgrund der Zugangsvoraussetzungen (siehe unten) und der daraus ableitbaren Zusammensetzung des Kollektivs, ist auch die Prognose, was die Beitragsentwicklung im Standardtarif angeht, düster.

 

Es ist ein Skandal, dass PKVs auf Bitte ihrer Kunden um Vorschläge zur Beitragsreduzierung trotzdem regelmäßig den Standardtarif oder den Basistarif vorschlagen. Ist der Kunde leistungsmäßig erstmal so weit gesunken, kommt er nie mehr hoch auf das alte Niveau vor dem Wechsel in einen Sozialtarif.

 

Die Beitragssenkung durch Wechsel in einen günstigeren Tarif ist zwar noch möglich (Unterstützung durch einen erfahrenen Praktiker vorausgesetzt), aber die Mehrleistungen gegenüber dem Standard- oder Basistarif werden von der PKV dann in der Regel nicht mehr gewährt.

 

Das heißt: Die PKV hat hinsichtlich der zu gewährenden Leistungen gewonnen, selbst wenn der Kunde - nach Tarifoptimierung durch einen Profi - oft spürbar weniger für das GKV-Niveau bezahlen muss.


Das Beispiel oben zeigt den aktuellen Tarif und die Generali-Alternativvorschläge für einen Mediziner im Rahmen des Beitragsbescheids 2025: Es wird (nur) der Standardtarif und der Basistarif empfohlen. Damit verstößt die Generali eindeutig gegen gesetzliche Pflichten. Welche das sind, lesen Sie hier.


Warum PKVs so agieren, ist mir klar, mehr dazu hier. Warum die Verbraucher- und Wirtschaftspresse, teils unter Berufung auf "erfahrene Makler", nur die halbe Wahrheit schreibt, ist mir schleierhaft.

 

Wie viele Hinweise braucht der Gesetzgeber noch, dass er den Wettbewerb um Bestandskunden Ü55 ankurbeln muss?


Wie viele Belege brauchen Sie, lieber Leser, dafür, dass PKVs ihren Gewinn nicht freiwillig senken und dass  unabhängige Expertise beim Tarifwechsel günstiger für Sie ist als "do it yourself"?



Die wichtigsten Fakten zu den beiden "Sozialtarifen":


Standardtarif

  • Eingeführt 1994 als brancheneinheitlicher Tarif mit sozialer Schutzfunktion
  • Zugang ab 55 Jahren (alternativ: Bezieher einer staatlichen Rente) mit PKV-Vertrag vor 2009
  • Keine erneute Gesundheitsprüfung (=> keine neuen Risikozuschläge)
  • Bestehende Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse bleiben bestehen
  • Brancheneinheitlich kalkulierter Beitrag
  • Auf GKV-Höchstbeitrag begrenzt: 804,82€ monatlich (2025 = plus 49,26 Euro vs. 2024)
  • Tatsächlicher Beitrag meist geringer wegen voller Anrechnung der Alterungsrückstellungen
  • Leistungen orientieren sich am Niveau der GKV
  • Arzthonorare werden nur bis zum 1,8-fachen Satz erstattet
  • Keine Zusatzversicherungen möglich
  • Etwa 53.000 Versicherte im Standardtarif (2023)


Basistarif

  • Eingeführt 2009 als Nachfolger des Standardtarifs
  • Zugang für alle PKV-Versicherten (unter bestimmten Voraussetzungen)
  • Keine Gesundheitsprüfung, Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse
  • Beitrag gedeckelt auf 942,64 € monatlich (2025 = plus 99,12 Euro vs. 2024)
  • Leistungen vergleichbar mit GKV, aber nicht identisch
  • Arzthonorare werden nur bis zum 1,2-fachen Satz erstattet
  • Zusatzversicherungen grundsätzlich möglich, aber selten angeboten


Wichtige Unterschiede

  • Standardtarif in der Regel günstiger als Basistarif
  • Standardtarif bietet teilweise bessere Leistungen (z. B. bei Arzthonoraren)
  • Basistarif steht allen PKV-Versicherten offen (Standardtarif nur Bestandskunden)


Beide Tarife dienen als "Sozialtarife" mit begrenzten Beiträgen und Leistungen auf GKV-Niveau.

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