Warum und wie PKVs interne Tarifwechsel blockieren

Markus Bauer • 14. Dezember 2024

Private Krankenversicherer versuchen aus mehreren Gründen, interne Tarifwechsel gemäß § 204 VVG zu erschweren. Das Hauptmotiv ist finanzieller Natur.


Der primäre Grund für die Blockade von Tarifwechseln ist die Reduzierung von Beitragseinnahmen. Jede Verringerung der Versicherungsbeiträge durch interne Tarifwechsel bedeutet eine Minderung der Einnahmen für das Versicherungsunternehmen. Dazu kommt ein erhöhter Verwaltungsaufwand.


Geringere Umsätze und höhere Kosten entsprechen nicht dem Interesse der Versicherer, häufig AGs, ihre Gewinne zu maximieren.


Methoden, zu denen die PKVs greifen, um Tarifwechsel zu behindern


  • Verzögerungstaktiken
  • Tarifwechselanfragen werden unvollständig oder unzutreffend (abschlägig) beantwortet.
  • Anfragen zum Tarifwechsel werden ignoriert und erst dann (vollständig) beantwortet, wenn (mehrfach) nachgefasst wird.


  • Fehlinformationen

Es werden pauschal falsche Auskünfte gegeben, wie zum Beispiel:

  • Es gebe keinen gleichwertigen Versicherungsschutz für weniger Geld.
  • Neue Tarife stünden langjährig Versicherten nicht zur Verfügung.
  • Aufgrund von Vorerkrankungen sei ein Tarifwechsel nicht möglich.


  • Vorenthalten von Informationen
  • Interessante Tarifoptionen werden auch auf wiederholtes Nachfragen nicht angeboten.
  • Es wird verschwiegen, dass Versicherte beim Wechsel in einen besseren (und günstigeren) Tarif einen Leistungsausschluss vereinbaren könnten, um Geld zu sparen.


  • Abschreckung durch überhöhte Angebote
  • Zur Abschreckung werden in die Tarifangebote maximale Risikozuschläge einkalkuliert (Gothaer), ohne zu erwähnen, dass der Kunde auf die entsprechenden Mehrleistungen auch verzichten kann.
  • Grundpreise werden verschwiegen und eigentlich attraktive Tarife erscheinen dadurch viel zu teuer.


  • Problematik geschlossener Tarife

Ein häufig genutztes Argument ist, dass ein Wechsel in geschlossene Tarife nicht möglich sei. Dies ist jedoch laut Finanzaufsicht Bafin nicht korrekt. Die Bafin hat klargestellt, dass dem Gesetz keine Beschränkung des Wechselrechts auf Tarife im Neugeschäft zu entnehmen ist.



Allianz als aktuelles Beispiel für eigenmotivierte Kommunikation

Mit dem Beitragsbescheid 2025 erhalten Kunden in unterschiedlichen Tarifen auch unterschiedliche Alternativangebote als "neuzugangsstärkster Tarif". Bei Kunden in 700er-Tarifen sind das 700er-Tarife mit höherem Selbstbehalt, bei Ärzten auch der leistungsmäßig lausige 2820. Beim Toptarif AMBS ist es der leistungsmäßig lausige AMS70, bei anderen AktiMed-Tarifen ab und zu sogar der gute AMP70PU.


Abgesehen davon, dass nicht mehrere Tarife gleichzeitig "neuzugangsstärkster Tarif" sein können, wurden 3 dieser Tarife für Neukunden vor 2013 geschlossen. Es geht aber nicht um Bestandskunden, die intern den Tarif wechseln. Also: Wie können das die verkaufs- bzw. abschlussstärksten Tarife sein?


Außerdem erfüllen nur wenige der Vorschläge diese (leider schwammige) gesetzliche Anforderung:

Der Hinweis muss solche Tarife enthalten, die bei verständiger Würdigung der Interessen des Versicherungsnehmers für eine Umstufung besonders in Betracht kommen.


Die Vorschläge sind zwar immer günstiger, aber mit Blick auf den aktuellen Tarif empfiehlt die Allianz nur sehr selten die preisgünstigste gleichwertige Tarifalternative.


Die Allianz erklärt: Wir weisen auf unseren neuzugangsstärksten Tarif hin. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet (VVG-InfoV). Ob dieser Tarif für Sie eine sinnvolle Alternative darstellt, wird nicht geprüft.


Aber erklärt das, warum unterschiedliche, nicht mehr verkaufsoffene als "neuzugangsstärkste" Tarife angeboten werden? Ich denke nicht.



Barmenia als aktuelles Beispiel für rechtlich bedenkliches Vorgehen

Nach unserem Dafürhalten verschwieg die Barmenia im Rahmen der Beitragsanpassungen für 2025 aus Kundensicht äußerst vorteilhafte Tarifalternativen, obwohl sie verpflichtet wäre, diese zu nennen.


Die logische Konsequenz ist, dass Barmenia-Kunden sich an uns und andere Tarifoptimierer wenden. Wenn wir dann für Kunden solche Tarife anfragen, welche die Barmenia ihren Kunden gegenüber als preiswertere Option bisher verschwiegen hat, meldet sich die Barmenia kurz nach Eingang unserer Anfrage - trotz unserer Vollmacht - direkt beim Kunden, um "hintenrum" jetzt doch Hilfe anzubieten.


Was das Ganze bedenklicher macht: Würden Kunden in einen von uns angefragten Tarif wechseln, würde vereinbarungsgemäß auch unser Honorar anfallen. Um das zu umgehen, bietet die Barmenia dann Tarife an, von denen sie bei anderer Gelegenheit behauptet, dass es diese nicht mehr gebe.


Ich habe wirklich überhaupt kein Problem damit, wenn Kunden geholfen wird, weil wir genau das tun. Aber das nicht im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung, sondern selektiv nur bei Bedarf (erst wenn der Kunde den Dienstleister beauftragt hat) zu tun, ist rechtlich bedenklich und moralisch verwerflich.


Mit einem Augenzwinkern könnte man es so auf den Punkt bringen: Damit die Barmenia Ihre Bitte, Ihnen günstigere Tarife anzubieten, ernst nimmt, müssen Sie einen Tarifoptimierer beauftragen.



Auswirkungen auf Versicherte

Diese Praktiken führen dazu, dass Versicherte abgeschreckt werden auf ihr Wechselrecht verzichten. Insbesondere ältere Versicherte oder solche mit Vorerkrankungen sind oft in teuren, veralteten Tarifen gefangen, die Neukunden schon seit Jahrzehnten nicht mehr angeboten werden.



Branchenreaktion

Die Versicherungsbranche ist sich der Problematik bewusst und betont die Notwendigkeit größerer Transparenz und offensiverer Aufklärung der Kunden über ihre Möglichkeiten beim Tarifwechsel. Leider bleibt es bei Lippenbekenntnissen ... Hier Telefontermin für Tarifwechsel-Beratung buchen

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